Streifzüge 57 Frühling 2013
von Lorenz Glatz
Ich habe eine Luftaufnahme eines Highway-Dreiecks gesehen, neben dem sich idyllische Wohnparks mit gepflegten Familienhäusern auf großen Grundstücken mit getrimmtem Rasen erstrecken. Dort erholt man sich, ruht aus für das, wozu man über die Highways muss. Sonst ist dort nicht viel vorgesehen. Für alles andere, die Arbeit, die Schule, den Kurs, den Verein, das Einkaufen, das Vergnügen, Besuche, für den Urlaub muss man Autofahren, und das nicht zu knapp. So ist es vielfach auch bei uns, in Amerika nur schon um gut zwanzig Jahre und im Durchschnitt viele Meilen länger.
Ich bin ein paar solche Strecken (kurze bloß) auf großen Highways mit dem Rad gefahren. Die Bündelung von Stress, Lärm und schlechter Luft ist unwirtlich und schwer auszuhalten. Derlei Bewegung ist nicht fürs Radfahren, fürs Gehen natürlich schon gar nicht, sondern für lärmisolierte Fahrkabinen mit air conditioning, Freisprechanlage, Radio und Musik, eventuell ein Gespräch gedacht. Man durchquert ein Außen, mit dem eins keinen Kontakt verspürt, von ihm so wenig wie möglich hört und riecht und nur mit Tunnelblick auf die Fahrbahn sieht.
Die Indianer, die, so wird erzählt, ihre Busreise nach kurzem unterbrochen haben, „damit die Seele nachkommt“, sind hier und wohl auch sonstwo in den „entwickelten Ländern“ ausgestorben. Die Seele reist nicht mehr, sie ist in einem Cocon versponnen, aus dem sie unberührt in die gleiche Art Welt entlassen werden möchte wie die, in der sie vorher war und die sie im Reisen nie verlassen hat. Das Dazwischen wird nicht wirklich wahrgenommen, man knüpft an das an, was vor dem und im Gehäuse war und mit der Bewegung und ihrem Ort fast nichts zu tun hat.
Was z.B. Europas Autobahnen angeht, so werden sie als Unwirtlichkeit und Öde nach Möglichkeit von den Wohngegenden mit Mauern abgeschirmt, vom Sehen, Hören, Riechen, so gut es geht, von der Umwelt abgeschlossen, als Orte aufgezwungener Bewegung aus dem Leben weggedrängt. Solche Orte sind hinter sich zu bringen, ihr Suchtwert ist das Rasen, ihre Entwicklung die Beschleunigung.