„a longing for freedom … akin to the passion of the lover“

von Lorenz

Ich lese in Marcuses „eindimensionalem Menschen“:

„Denk-, Rede- und Gewissensfreiheit waren — ganz wie die freie Wirtschaft, deren Förderung und Schutz sie dienten – wesentlich kritische Ideen, bestimmt, eine veraltete materielle und geistige Kultur durch eine produktivere und rationalere zu ersetzen. Einmal institutionalisiert, teilten diese Rechte und Freiheiten
das Schicksal der Gesellschaft, zu deren integralem Bestandteil sie geworden waren. Der Erfolg hebt seine Voraussetzungen auf.“ (Marcuse, Der eindimensionale Mensch)

Das heißt 50 Jahre später, dass die real existierende „freie Wirtschaft“ von den Ich-AGs bis zu den Tansnationalen jene Freiheiten beschlagnahmt hat, dass sie der Horizont nicht nur der Denk-, Rede- und Gewissensfreiheit ist, sondern darüber hinaus auch der äußerbaren Wünsche und Begierden sowie der Moralvorstellungen, die sich alle nur in diesen Grenzlinien mit den vorgegebenen Verfahrensweisen realisieren lassen.

Allerdings sind heute erstens nicht bloß Marcuses Focus, nämlich die höchstentwickelten gegenwärtigen Gesellschaften“, sondern darüber hinaus der größte Teil der so genannten „unterentwickelten“ Welt in das „System“ einbezogen, ist zweitens die ökonomische Integrationsfähigkeit des gegenwärtigen Kapitalismus stark am Schwinden und tritt drittens die ökologische und psychische Destruktivität der Produktionsweise dramatisch zu Tage.

Die Folge ist zunächst einmal ein hysterisches Festhalten an den Kategorien und „Werten“ der Lebensweise, die allesamt zu dogmatischen Luftschlössern werden, denen zunehmend das ökonomische Fundament wegbricht, damit verbunden ein Auftauen des Gewaltkerns, des hobbes’schen Wolfscharakters der Geld- und Kapitalverhältnisses.

So wir ein Bedürfnis nach Freiheit haben und entwickeln, steht damit steht für eine Lösung der Zwänge eine „neue Anthropologie“ (Marcuse, Das Ende der Utopie) an, eine neue Sicht von uns selbst und unserer Stellung zueinander und zur Welt, beginnend mit einer emotionalen Ablehnung des herrschenden Lebensideals. So, glaube ich, hat das schon vor über 100 Jahren William Morris in seinem utopischen Roman „News from nowhere“ gesehen: „…the great motive-power of the change was a longing for freedom and equality, akin … to the unreasonable passion of the lover; a sickness of heart that rejected with loathing the aimless solitary life of the well-to-do educated man of that time“